Dienstag,
7. August 2001
Ich
verdrücke mein Frühstück auf dem Bürgersteig vor AvEs
und Jutzes Hotel, bis die beiden
ausgecheckt haben. Die U-Bahn bringt uns von der 103. Straße
ganz an die Südspitze Manhattans, zurück zum Battery Park und
dem Anleger der Staten Island Ferry. Der erste Waggon, den wir erwischen,
ist nur deshalb so leer, weil die Klimaanlage ausgefallen ist. Wir steigen
tropfend um. Wer an der Endstation aussteigen will, muß einen der
ersten fünf Wagen benutzen, warnt ein Schild sogar auf deutsch. Die
Staten Island Ferry kostete zuletzt 50 Cents ("Die billigste Ozeanreise
der Welt") und nach einer Volksabstimmung nun gar nichts mehr und bietet
damit die preiswertesten Photoperspektiven auf Ellis Island, die Freiheitsstatue
und zurück auf den Big Apple. Ein alter Mann mit Schuhputzkasten versucht
AvE zu beglücken: "You want some shine? Only one dollar fifty!" Nö,
will er nicht. Der alte Mann zieht weiter: "Shine! ... shine? ... shine!?"
Was für ein glänzendes Beispiel dafür, wieviel man mit wenig
Englisch sagen kann. Niemand würde den Mann verstehn, liefe er durch
eine deutsche Innenstadt: "Glanz! ... Glanz? ... Glanz!?"
  
Wir sind auf Staten Island nicht ausgestiegen. Das machen nur Staten
Islander. Die Insel an sich ist uninteressant. Allerdings hatte mir Jutze
angeboten, zurück zu schwimmen, weil er mein Jammern nach kühlem
Poland Spring nicht mehr ertrug. Mit der U-Bahn geht's zurück uptown.
Jutze verabschiedet sich von uns auf halber Strecke und das letzte, was
ich von ihm sehe, ist eine Slapstickeinlage. Er will vor der Abreise noch
shoppen. AvE und ich fahren weiter, um am Times Square touristenmäßig
Metropole zu schnuppern, er zum nahenden Abschied, ich zum ersten Mal.
Die Werbetafeln sind hier übrigens Pflicht qua Bauverordnung und die
Werbeeinnahmen finanzieren die Miete. Coca Cola allein zahlt anderthalb
Millionen US$ im Jahr, um die große Colaflasche aufzustellen. Eine
Riesencola macht auch uns wieder flott. Wir erkunden die Nebenstraßen,
werfen einen Blick in den riesigen Saal der Radio City Music Hall, aus
deren Türen ein eisiger Wind haucht, obwohl die Halle leer steht,
legen eine Verschnaufpause in der kühlen Saint Patrick's Cathedral
ein und marschieren dann die 5th Avenue hoch.
An der südöstlichen Spitze des Central Park angekommen folgen wir den Parkwegen vorbei am Zoo, dem Alice im Wunderland-Denkmal (an wen erinnert das Profil?), dem Metropolitan Museum of Art bis zum Solomon R. Guggenheim Museum.
Aus dem Schatten des Baldachins vor einem Luxusappartementhaus (Durchschnittsjahreseinkommen in New York: $44.000; auf der Upper East Side: $91.000) beobachten wir das Photoshooting mit einer russisch anmutenden Blondine, bevor sich unsere Wege trennen. AvE macht sich auf, um zu Fuß den Central Park ein letztes Mal auf dem Weg zu seinem Hotel zu durchwandern.
Ich stelle mich mit meinem New York City Pass an der Schlange im Guggenheim an. Wenn man in der Rotunde des von Frank Lloyd Wright entworfenen Gebäudes den Aufzug ganz nach oben nimmt, kann man bequem auf dem Spiralgang immer im Kreis herum zurück ins Erdgeschoß laufen und dabei die Exponate in den abzweigenden
Gebäudeteilen (Chagall, Picasso etc.) und am Rand der Rampe mitnehmen. Auf halber Höhe ergibt sich von der Dachterasse aus einer dieser typischen New Yorker Central Park-Ausblicke. Gegenwärtig zeigt das Guggenheim eine Werkschau des Architekten Frank Gehry, der überraschend viele Gebäude in Deutschland entworfen hat und im Moment einen imposanten
Muschelneubau des Guggenheim auf den Piers an der Südspitze Manhattans plant. Nach dem Rundgang laufe ich die 5th Avenue ein Stück weiter hinauf, aber leider hat das International Center of Photography bereits geschlossen. Da mein Hotel auf der anderen Seite des Central Park liegt, durchquere ich denselben auf Höhe der 81. Straße und komme am Turtle Pond aus. Beim Andenkenladen des Delacorte erstehe ich zwei T-Shirts, eins in schwarz mit Public-Theater-Aufdruck und ein weißes mit dem New York Shakespeare Festival-Wappen auf der Vorderseite und roter Werbung auf dem Rücken (Shakespeare in Central Park 2001 - Measure for Measure & The Seagull). Es ist noch hell genug für einige Photos von den Stufen von Belvedere Castle aus. Im hinteren Bereich des Delacorte Theater scheint ein kleines Pre-Show-Buffet vorbereitet zu werden und bald sammeln sich dort Gäste, während ein Trainer im Damensattel immer und immer wieder mit Natalies Pferd den Ritt auf der Rampe zur Bühne direkt am Turtle Pond übt.
Von den Stufen der Burg aus verfolgen neben mir rund ein Dutzend weitere Neugierige das Treiben auf der anderen Seite des Weihers, bis kurz vor Sonnenuntergang ein Parkwächter uns vertreibt: "I am here to advise you that nobody is allowed to sit up here!" - Fein, ich hatte eh' Hunger.
© 2001-2006 , Alle
Rechte vorbehalten.
Übersicht | Sonntag
| Montag | Dienstag | Mittwoch
| Donnerstag | Freitag
| Samstag | Sonntag
|