Samstag, 11. August 2001


Auf meiner Wunschliste stehen noch ein paar Photos aus der Dino-Halle des American Museum of Natural History (die Käfersammlungen usw. reizen mich nicht so sehr) und der Besuch des MOMA (Museum of Modern Art) und des Metropolitan Museum of Art. 

Das MOMA erinnert derzeit mit vielen Modellen, Photos und Skizzen an die Arbeiten von Mies van der Rohe (Bauhaus-Architekt) in Deutschland bis zu seiner Flucht vor den Nazis. Die Ausstellung wird danach in Berlin zu sehen sein. Das Mousepad mit dem U-Bahnplan von Manhattan aus dem MOMA-DesignShop muß ich haben. Das hält die Erinnerungen wach. Bei Blowout-Video finde ich Roberts Filmempfehlung auf DVD (codefree) und bei HMV das Debutalbum von The Start. Das Metropolitan Museum of Art ist alleine so riesig, daß mehrere Tage nötig wären, will man alles sehen. Ich beschränke mich auf die ganz modernen Sachen, zwei Photographieausstellungen, die Galerie mit europäischen Gemälden und Skulpturen des 19. Jahrhunderts. Danach nehme ich den Aufzug auf den mit abstrakten Objekten verschönten Dachgarten, von dem aus man den Central Park in Richtung Upper West Side überblickt.

Am frühen Abend mache ich mich auf meinen letzten Fußmarsch durch den Central Park. Ein obdachloser Zeitungsverkäufer bekommt mein gesamtes $-Kleingeld, das ich nicht nach Hause schleppen möchte. Es ist kurz vor Sonnenuntergang und der Himmel ist bedeckt, als ich am Turtle Pond und dem Delacorte vorbeikomme. Ich nutze die Menschenmenge auf dem Steg, um die Kamera auf dem Geländer abzustellen und per Selbstauslöser das gegenüberliegende Belvedere Castle und den Bühnensteg des Theaters abzulichten. Der Aufpasser am naheliegende Tor zum Theater nimmt zu meinem Erstaunen keinerlei Notiz und stört sich auch sonst nicht weiter an den Zaungästen. 

Der Lattenzaun zum Innenhof des Delacorte verdient seinen Namen nicht. Man kann das Pferd in seiner Box sehen, eine kleine Umkleidekabine und ein paar Buffettische. Ich lasse mich auf der Stegbank nieder und schaue den anderen Besuchern beim Füttern der vielen Schildkröten und kleinen Fische zu. Im Teich soll auch eine riesige Schnappschildkröte hausen und hinter uns auf Seerosenblättern sitzt eine zeitlang ein dicker, fetter Frosch. Kurz nach sieben wird das Tor für Kevin Klines Geländewagen geöffnet. Die Limousine der Damen sehe ich nicht. Daß sie bereits angekommen sind wird allerdings klar, als plötzlich Natalie - in ihrem weißen Oberteil mit V-Ausschnitt, dem bodenlangen, beigen Rock und dem falschen Zopf - keine zehn Meter entfernt bei einem Grüppchen Theaterangestellter steht. Auch hier ist sie wieder die Kleinste. Sie unterhält sich eine zeitlang, dann wird das Pferd gebracht, und sie steigt über ein kleines Treppchen in den Damensattel. Bis zu ihrem Auf(t)ritt im ersten Akt wird sie auf dem Pferd im Kreis und hin- und hergeführt und sieht dabei sehr ladylike und elegant aus. Ich unterdrücke den Impuls, über den Zaun zu steigen und ihr auf Knien einen Heiratsantrag zu machen oder mich auf andere Weise zu blamieren. Minutenlang bleibt das Pferd mit ihr vor dem angeleuchteten Vorhang der Umkleidekabine stehen und ich sehe den Schattenriß ihres Profils. Sie wirkt gelassen aber sehr konzentriert. Vor dem Theater sind die Freudentänze in der stand-by line und aus dem Theater wenig später Mike Nichols' Ansage, das Gelächter und Geklatsche und dann die Anfangsmusik zu hören. Dann sehe ich Masha und Medvedenko und später Sorin und Konstantin über den Steg in Richtung Bühne gehen. Die Dialoge sind hier draußen fast vollständig zu verstehen. Natalie hat mit dem Pferd Aufstellung bezogen und auf ein Signal hin stauben die beiden ab, die Rampe hoch, wo einer der Arbeiter das Pferd am Zügel stoppt und Yakov Natalie aus dem Sattel hebt. Dann sehe ich sie nur noch mit wehendem Zopf zwischen den Bäumen in Richtung Bühne verschwinden: "I'm not late - tell me I'm not late." Ich schlendere vom Steg in Richtung Kasse. Die Angestellten im Promoladen und Imbiss wirken gelangweilt. Durch die offenen Eingänge sehe ich Teile der Bühne, im wesentlichen Konstantins Behelfsbühne, die Bäume und die Schaukel. Am Theater vorbei gelange ich über die Stufen zur Terasse von Belvedere Castle. Dort oben ist es leer, bis auf ein paar komische Gestalten, die hinter der Brüstung zum Turtle Pond hocken. Die Burgbeleuchtung brennt und ich umrunde den Turm, um von dem dahinterliegenden Mäuerchen aus ein paar Nachtaufnahmen des Theaters zu machen. Gerade als ich dort ankomme, marschiert Natalie mit Teilen ihres Kostüms unterm Arm über die Rampe von der Bühne. Konstantins Aufführung ist also soeben zu Ende gegangen. Selbst wenn die Entfernung mehr als 100 Meter betragen würde, hätte die typische, leicht staksige Art ihres Gangs Natalie verraten. Für ein Photo bin ich zu spät, in der Dunkelheit wäre ein solches wohl auch nicht möglich gewesen. Die Nachtbilder brauchen sämtlich mehrere Sekunden Belichtungszeit. Zu lange, um außer den stillsitzenden Zuschauern Personen auch nur halbwegs scharf abzubilden. Ich kann damit leben, denn die dramatische Stimmung finde ich auch so ganz gut eingefangen. Man sieht sogar die Umrisse von Larry Pines Dr. Dorn.

Gegen neun treibt mich meine Erkältung zurück zum Hotel, wo ich nach einem Nachtbild der Fassade unter die Dusche und dann vor den Fernseher ins Bett steige. 






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