Donnerstag, 9. August 2001


40°C - Mit ausreichend Poland Spring im Tank schaffe ich es von der Penn Station zu Fuß zum Heliport am Hudson River. Zwei Vietnamveteranen scheinen sich hier ihre Altersversorgung zu sichern. 

Mit Schwimmweste um den Bauch und nach einem Notfallvideo steige ich mit einer fünfköpfigen Familie in den wohlgekühlten Hubschrauber und sehe für 10 Minuten New York aus der Vogelperspektive. Ellis Island, die Freiheitsstatue, Downtown Manhattan mit den Hochhäusern, Central Park (zwischen den Bäumen sind die Scheinwerfer des Delacorte, der Turtle Pond und der Turm von Belvedere Castle zu sehen). In Harlem über dem Yankee Stadium zeigt uns der Pilot, was eine Spitzkehre ist. Mama beugt sich zu ihrem Vierjährigen in der ersten Reihe: "You okay?" 22 Kilometer und 36 Photos später landen wir sicher.


Drei Piers weiter startet meine Full Island Circle Tour mit dem Ausflugsschiff. Der Mann mit dem Mikrophon erzählt zuviel, wovon ich kaum etwas behalten habe. Meryl Streep hat ein Appartement auf der Upper West Side mit Blick auf den Hudson River, keine drei Kilometer vom Delacorte. Den Kaufpreis erfahren wir nicht. Ob Natalie dort auf Meryls Einladung hin wohnt?


Abends finde ich mich am City Hall Park zur Big Onion Walking Tour "Brooklyn Bridge & Brooklyn Heights" ein. Insgesamt acht Verrückte überraschen unsere Führerin: "I didn't expect anybody to show up with today's heat." Die Entstehungsgeschichte der Brooklyn Bridge ist dramatisch. Der deutschstämmige Architekt Roebling (und Dutzende Arbeiter) kommen um, sein Sohn übernimmt das Kommando, hält dem psychischen Druck nicht stand, bricht zusammen und sendet von da an täglich seine Frau als Botschafterin zur Baustelle, die er von seinem Fenster aus sieht. Als er endgültig verrückt wird, übernimmt seine Frau die alleinige Regie. An Emily Warren Roebling erinnert seit 1951 eine Ehrentafel. 

Das Thermometer auf dem Dach der Weltzentrale der Zeugen Jehovas, dem Watchtower, zeigt um 19.15 Uhr noch 96°F im Schatten, das sind 35°C. Die Zeugen Jehovas haben große Teile Brooklyns aufgekauft, als Grundstücke noch bezahlbar waren. Ihre Angewohnheit, die traditionellen Brownstones (die in rotbraunem Stein gehaltenen klassischen New Yorker Stadthäuser) dem Erdboden gleichzumachen, um Betonbauten zu errichten, führte zur Bildung der Denkmalschutzvereine in New York. Als wir in Brooklyn ankommen, wird es langsam dunkel. Wir erfahren die Geschichte des äußerst beliebten Predigers Henry Ward Beecher (kämpfte gegen die Sklaverei; seine Schwester Harriet Beecher Stowe schrieb Onkel Toms Hütte), der in einem riesigen Skandal von einer engagierten Verfechterin der freien Liebe wegen seiner Beziehung zu einer verheirateten Frau geoutet wurde. 

Unsere Tour endet an der Uferpromenade am East River, die auf Photos immer so malerisch aussieht. Davon ist vor Ort nicht viel zu spüren, da jenseits des Geländers auf gleich drei Etagen Autos vorbeirasen. Der Nachtausblick auf Manhattan ist trotzdem imposant. 
 

Unser Grüppchen löst sich hier auf und auf dem Rückweg zur U-Bahn begleitet mich eine kleine Japanerin, deren Name partout unausprechlich ist, weshalb wir uns auf eine Abkürzung einigen. Sie ist für eine Woche alleine in New York und arbeitet zuhause in Japan in der Verwaltung eines Elektronikkonzerns. Als sie hört, daß ich noch das Empire State Building besteigen möchte, schließt sie sich an. Als sie die Schlange an den Kassen sieht, winken wir goodbye. Mit meinem New York City Pass muß ich nicht warten, sondern kann an den Warteschlangen vorbei den Aufzug besteigen. Das Gebäude ist bei weitem nicht so hoch wie die Türme des Work Trade Center, aber der Ausblick ist aufgrund der Distanz zum Rest der Hochhäuser von Manhattan gerade bei Nacht beeindruckend.

Im Hotel angekommen kann ich nicht anders, als den Film mit ein paar "Screenshots" aus dem Weather Channel zu füllen. 

Die New Yorker werden gebeten, ihre Klimaanlagen nicht ständig voll aufzudrehen, da der Strom knapp wird. Einige Straßen sind bereits dunkel, vielen Lebensmittelhändlern steht das unfreiwillige Abtauen ihrer Gefriertruhen bevor. Morgen soll es Regen geben.



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