Mittwoch, 8. August 2001


AvE und Jutze dürften bereits in Frankfurt gelandet sein, als ich zu meiner Greenwich Village Walking & Tasting Tour aufbreche. Von zehn bis eins führt uns unser ziemlich gut gelaunter und engagierter Tourguide Todd quer durch die verwinkelten Nebengäßchen des historischen Stadtteils. Wir erfahren eine Menge über die Geschichte, sehen verträumte Hinterhöfe, die man überall, nur nicht hier, einen Steinwurf von den Wolkenkratzern entfernt, erwartet hätte. Im schmalsten Haus der Stadt (9 Fuß) hat unter anderem Humphrey Bogart zeitweise gewohnt. Das Eckcafe Ches Michallet soll zum Set von Natalies Lieblingsserie Friends gehören. Wir besuchen eine versteckte Kneipe aus der Prohibitionszeit (das Speakeasy Chumleys), in der Schriftsteller wie John Steinbeck und J.D. Salinger zwischen den Razzien einen hoben. Außerdem kehren wir in Bäckereien, Pizzerien, Käse- und Eisläden ein und bekommen so viele Häppchen, daß gegen Mittag alle pappsatt sind. In einem Fischrestaurant wird sogar deutsches Hefeweizen gezapft. 


Unser Grüppchen ist ein buntgewürfelter Haufen von 16 Personen, darunter ein Lehrerehepaar aus Long Island, eine Familie mit Kindern aus Chicago, zwei ältere Damen aus L.A., die deutsche Freunde haben und wissen wollen, ob man von der Trennung zwischen West und Ost zehn Jahre nach der Wiedervereinigung noch was merkt. Auf dem Weg zur U-Bahn begleitet mich ein Koreaner, der eine Woche in der Stadt weilt, um neue Vertriebswege für seine custom made shirts aufzutun. Er läßt preiswert in China fertigen und verkauft Sechserpacks Oberhemden vor allem an Rechtsanwälte. Ob ich auch im Business bin? Nein. Als er merkt, daß ich mit der Kultur des Fressens und Gefressenwerdens nichts am Hut habe und nur auf Urlaub bin, taut er weiter auf: "In the United States, you know, everything is so competitive. It's nice and friendly only on the surface." - Dafür bin ich noch nirgendwo mit so vielen unterschiedlichen Leuten so einfach ins Gespräch gekommen. Daß man sich wahrscheinlich nie wiedersieht, hält keinen davon ab, sich äußerst nett zu unterhalten. Sowas habe ich in Deutschland noch nicht erlebt.

An der monströsen Grand Central Station tausche ich meinen nächsten Gutschein in einen Busfahrschein. Die erste Tour, die ich erwische, ist die Uptown Tour, die die Upper West Side hinauf, am Hudson River und am Central Park entlang bis Harlem und über die Upper East Side und den Times Square zurück zum Busbahnhof führt. Bei mir um die Ecke am Broadway steht ein Haus im Zuckerbäckerstil, dessen Erbauer - wie wir hören - Hühner in der Wohnung hielt und seine Mieter täglich mit frischen Eiern beschenkte. Madonna hat übrigens versucht, Barbra Streisands Appartement auf der Upper West Side für $7.000.000,-- zu kaufen. Der Deal scheiterte an der Eigentümergemeinschaft, die keinen Wert auf Madonnas Nachbarschaft legte. Nach diesem Desaster verlangt Frau Streisand nur noch $4.000.000,--. 

Unser Tourguide ist eine toughe schwarze Lady, die aus Harlem stammt. Schon wie sie das Wort ausspricht ("Hoarlom"), ist purer Gospel. Das hindert den koreanischen Busfahrer nicht daran, sich ebendort saftig zu verfahren. Wir landen in Gegenden, die wahrscheinlich noch nie einen roten Greyline-Doppeldecker gesehen haben. Jungs am Straßenrand versuchen, das offene Oberdeck mit Fontänen aus geknackten Hydranten zu wässern. Unser Busfahrer bekommt Schimpfe: "I told you that was the wrong turn but you knew better, huh? These people aren't prepared for us!", und wir werden beruhigt: "We'll be back on our track in a bit." Zwei interessante Punkte in Harlem waren das neue Büro von Bill Clinton und die Moschee der Gemeinde, die von Malcolm X gegründet wurde. Beim Anblick des Rests erklärt sich, warum die Mieten im Moment noch ziemlich niedrig sind. Allerdings soll sich Harlem langsam zum In-Viertel entwickeln, weil in den angestammten Künstlergegenden wie Greenwich Village und SoHo die Preise für Wohnraum explodiert sind. 

Am Rande der 5th Avenue entlädt eine Filmcrew gerade ihren Truck. Zurück am Busbahnhof erreiche ich den letzten Bus auf der Downtown Tour, trotz rush hour am Times Square. 


Downtown sehen wir die Suppenküche des soup nazi aus Seinfeld, das riesige Kaufhaus Macy's, das Flatiron Building, Greenwich Village und SoHo, die Wallstreet, wo wir steckenbleiben und ein Hupkonzert verursachen, den Hafen und die Brooklyn Bridge, Little China, das UNO-Hauptgebäude und vieles mehr.


Danach bin ich reif für Broccoli & Chicken und kehre zurück ins Hotel.
 
 


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